Die Baureihe 420 im Zeichen der
Zwanzig Lenze zählte die Münchner S-Bahn, als ihre Erfolgsgeschichte einen neuen Höhepunkt ansteuerte. Das Kapitel der Baureihe 420 als "Munich Airport Line" wurde am frühen Morgen des 17.Mai 1992 aufgeschlagen. An diesem Sonntagmorgen erschallte nicht nur erstmals das Geräusch heulender Triebwerke durch das Erdinger Moos, auch die markanten Fahrgeräusche der Baureihe 420 erklangen nun im regelmäßigen (20 Minuten) Takt über die Feuchtwiesen zwischen Ismaning, Hallbergmoos und dem Ort an dem ehedem die kleine Ortschaft Franzheim stand. Der neue Flughafen "München II", ab diesem Tage schon "Franz Josef Strauß" getauft, ging in Betrieb.
Die Baureihe 420 war aber nicht erstmals am 17.Mai am Flughafen im Moos angekommen, sondern schon am 17.März. In den zwei Monaten vor dem offiziellen Start pendelten die Triebzüge bereits unter Ausschluss der Öffentlichkeit zwischen Ismaning und dem künftigen Flughafen. Die Vorbereitungen zur Inbetriebnahme liefen mit Zeitdruck auf Hochtouren. Der Umzug eines ganzen Verkehrsflughafens quasi über Nacht bildete dabei den Höhe- und Endpunkt eines logistischen Meisterstücks.
Alles was im Vorfeld des Stichtags 17."M"ai bereits am neuen Flughafen installiert und getestet werden konnte, sollte erledigt werden. Dabei war zuletzt der interne Pendeldienst der S-Bahn auf der Neubaustrecke bis Ismaning ein nützlicher Dienst für das am neuen Standort schon tätig gewordene Personal. Die Bundesbahn konnte währenddessen die neuen Anlagen beinahe unter Realbedingungen testen, wobei es sich bei den Triebzügen oftmals noch um "gewöhnliche" ET420 handelte. Bei aller Präzision die bei den Vorbereitungen zum neuen Flughafen vorgenommen wurde, geriet ausgerechnet bei der Bundesbahn der Zeitplan aber aus den Fugen.
Stichwort "Mehrbedarf" - oder: "Da fehlt doch was!"
Die Planungen zu einem neuen Großflughafen waren so alt wie die Münchner S-Bahn.
Anfang der 70er Jahre ging man daran einen geeigneten Standort im Großraum München zu finden.
Die Suche, die Planungen und die Gerichtsverfahren zogen sich über Jahre hinweg und auch die Bauarbeiten kamen immer wieder ins stocken.
Scheinbar lullte dieser sich endlos dahin ziehende Prozess der Flughafenwerdung die Verantwortlichen bei der Deutschen Bundesbahn so stark ein, dass zuletzt die Ereignisse sie einzuholen drohten.
Jedenfalls fehlten zum Stichtag am 17.5. der S-Bahn München die Fahrzeuge, die den Bestand für die neuen Aufgaben verstärken sollten. Angedacht waren 6 zusätzliche Einheiten, die jedoch von der Fahrzeugindustrie nicht mehr rechtzeitig geliefert werden konnten. Die Problematik die sich vor dem Stichtag auftat hatte es in sich gehabt: Der Mehrbedarf musste mit geeigneten Fahrzeugen abgedeckt werden. Dafür kamen aufgrund des Betriebskonzepts seinerzeit ausschließlich Fahrzeuge der Baureihe 420 in Frage. Ein Wendezugbetrieb, z.B. zwischen Flughafen und Ostbahnhof, hätte das Konzept der Durchbindung zur Innenstadt platzen lassen und den Fahrplan aus den Angeln gehoben. Die Abgabe von Fahrzeugen der Baureihe 420 aus den anderen Einsatzgebieten kam ebenso kaum in Frage, da auch dort zumeist eher ein Mehrbedarf als ein Fahrzeugüberhang vorherrschte. Die Fahrzeugindustrie hatte die Produktion der 7.Bauserie bereits 1991 mit der Auslieferung von 420 424 an das Bw Plochingen abgeschlossen, so konnten keine Fahrzeuge kurzfristig aus einer laufenden Produktion abgezweigt werden. Der Leidensdruck erhöhte sich nochmals durch die vereinbarten Vorgaben einer besonderen Flotte an Zügen, die auf den Flughafenverkehr spezialisiert sein sollten. Dazu gehörten besondere Anforderungen bei der Innenraumgestaltung, womit der Aufwand nochmals größer wurde.
Verspätung der 7a Bauserie - knappe Punktlandung der 2. Bauserie
Die Bestellung eines der 7. Bauserie nachlaufenden Bauloses von sechs ET420 für den Flughafendienst ging letztendlich zu spät bei den Herstellern ein. Eine kurzfristige Lösung zur Überbrückung des Engpasses musste gefunden werden. Und diese fand sich dann wiederum in den neuwertigen Fahrzeugen der 7.Bauserie in Stuttgart.
Diese konnten die geforderten Standards durch ihre moderne Inneneinrichtung erfüllen und waren sofort bei der Münchner S-Bahn einsetzbar.
Das die Situation beim Fahrzeugbestand Plochingens zu diesem Zeitpunkt als entspannt bezeichnet werden konnte, war ein glücklicher Umstand den München sich dann noch rechtzeitig zu Nutze machte.
So gelangten 420 402, 420 405, 420 407 und 420 408 gerade noch termingerecht zum Einsatz als "Munich Airport Line" nach München. Zu Beginn noch als solche nicht gekennzeichnet, erhielten die Leihfahrzeuge recht bald eine entsprechende Beklebung.
Diese sah folgendermaßen aus: Statt die orange-weiß lackierten Fahrzeuge in das helle Flughafenblau zu tauchen, wurden sie mit dem blauen Flughafenlogo (einem großen "M") beklebt. Auch die Schriftzüge "Munich Airport Line" und des etwas holprige "Flughafen München Linie" wurden in blauer Flughafenfarbe aufgeklebt.
Die Schriftzüge und Logos entsprachen in Größe und Position genau denen auf den bereits vorhandenen Flughafenzügen der zweiten Bauserie.
Es gibt wohl nur wenige Fotos, welche die Plochinger Flughafenzüge mit dem blauen "M" dokumentieren.
Hier ein Schnappschuss vom 27. Januar 1993 am Ostbahnhof. Das zu diesem Zeitpunkt die Nachbarschaftshilfe nur noch für kurze Zeit benötigt werden wird, ist an dem gekuppelten nigelnagelneuen Schwenktür-420er in Flughafenblau zu erkennen. Foto: Johan Hellström
War kurz vor der Inbetriebnahme der Flughafenbahn die Abdeckung des Fehlbestands an Neuzugängen mit den Plochinger 420 noch gelöst geworden, standen noch die Bereitstellungen einiger Einheiten der modernisierten 2.Bauserie aus.
Die aus dem eigenen Bestand rekrutierten Einheiten für den Flughafen-Betrieb konnten zwar schon vereinzelt im erneuerten Zustand im Münchner S-Bahn Netz bewundert werden, doch die geplante Stückzahl von 15 Einheiten war Anfang Mai noch nicht erreicht.
Das AW Nürnberg schickte so z.B. erst am 15.Mai u.a. 420 179 auf die Reise nach München (siehe Bild oben).
Am Morgen des 17.Mai dominierte zwar die Farbe hellblau auf der neuen S8 zwischen Pasing und Flughafen-Terminal, dennoch waren einige Farbtupfer (vornehmlich in orange) auszumachen.
Dieser Umstand entging auch nicht den "Großkopferten" der Flughafengesellschaft, was an kritischen Äußerungen ihrer Mitglieder vor der Presse festzustellen war. Die Geschäftsführung der München Flughafen GmbH forderte von der Bundesbahn die Vertragserfüllung nach den vereinbarten Maßgaben.
Es sollte sich zeigen, dass die DB diese nicht zu jeder Zeit erfüllen konnte und zuletzt auch gewillt war diese vertraglichen Vereinbarungen auslaufen zu lassen.
Das Konzept - Der besondere Reiz und die Nachteile
Es muss immer wieder positiv hervorgehoben werden, in welchem Maße das Konzept der "Munich Airport Line" im Sinne des Kundendienstes stand.
Es hatte neben den praktischen Vorteilen für die Flugpassagiere noch einen Mehrwert für die Vermarktung des Flughafens und des Standort München.
Das bei dem neuen Flughafen auch endlich die Anbindung an das leistungsfähige Netz der Münchner S-Bahn verwirklicht werden konnte, war sicherlich ein großer Vorteil. Dagegen zeichnete sich schon recht schnell die weit von der Innenstadt entfernte Lage des Standorts als Nachteil aus. Auch wegen und trotz der S-Bahn!
Eine Fahrzeit von gut und gerne 45 Minuten erhöhen nicht gerade die Attraktivität des Flughafens, von dem damals schon Spötter behaupteten das er nur aus der Luft wirklich gut erreichbar sei.
Wenn sich aber schon kurzfristig (mittlerweile langfristig) nichts an dieser Situation verändern ließe, so sollten wenigstens der Komfort und der Service dieses Manko etwas ausbügeln helfen.
Wie solch eine wirksame Maßnahme aussehen konnte, sollte das Innenraumkonzept nach den Entwürfen des Büros Prof. Eberhard Stauss unter Beweis stellen.
Durch den Wegfall einiger Sitzplätze im Bereich der Kurzkuppelenden und der Umgestaltung der vorhandenen Mehrzweckabteile konnte im Hinblick auf die erwartete erhöhte Zahl an Gepäck auf der Flughafenlinie besonders Rücksicht genommen werden. Dies erhöhte die Bequemlichkeit des Reisens für Fluggäste und verbesserte dabei den Fahrgastfluss durch die Reduzierung der Gepäckaufbewahrung in den Türbereichen.
Ein Mehrwert den man heute auf der Fahrt zum und vom Flughafen oftmals schmerzlich vermisst.
Das gilt ebenso für die Gestaltung der Gepäckablagen, die noch diese Bezeichnung verdienten. Desweiteren sorgte ein umfassendes Informationsangebot Rund um die Flughafenbahn für ein zusätzliches Plus.
So wurde der Fahrgast schon beim Zustieg in München auf die Ankunft am Flughafen durch Lagepläne vorbereitet, die als Wegweiser zu den Flugsteigen dienten.
Da der Wagenpark mit speziellen Triebzügen für diesen Einsatzbereich recht überschaubar blieb, zwang das Konzept jedoch zu einem Arbeits- und Kostenintensiven Betrieb.
Die Laufleistungen der Flughafenzüge lag weit über denen der gewöhnlichen Triebzüge im Münchner S-Bahn Netz.
Das Betriebsprogramm sah oftmals Langzugeinsätze vor, was die Laufleistungen aller Einheiten weiter erhöhte.
Um das Konzept stets mit genügend Fahrzeugen aufrecht zu erhalten, mussten die Kapazitäten im Werk Steinhausen unter engeren Maßgaben disponiert werden.
Einen gewissen Vorrang in der Unterhaltung forderten die dauerhaft beanspruchten Flughafenzüge notgedrungen dem Werkstattpersonal ab.
Hinzu kam ein Mehraufwand auch bei der Disposition der Fahrzeuge und bei der Zugzusammenstellung oder Auflösung.
Es musste stets darauf penibel geachtet werden, die "Herden" von einander zu trennen.
Dennoch konnte nicht immer verhindert werden, dass durch betriebliche Sachzwänge doch hin und wieder ein Nicht-Flughafenzug auf der S8 erschien.
Diesen dann wieder von der Linie herunter zu bekommen, stellte wiederum einen Mehraufwand dar. Nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten war der Betrieb der "Munich Airport Linie" sicherlich eine Sparbremse.
Der Mehrwert konnte nur ideeller Natur sein und das positive Image der Flughafenzüge konnte sich nicht in Heller und Pfennig ausrechnen lassen.
Selbst die günstige Entwicklung bei den Fahrgastzahlen auf der S8, konnte sicherlich nicht alleine auf den besonderen Service zurückgeführt werden.
1998 - Und schon wieder vorbei
Als es nach fünf Jahren daran ging mit der Flughafengesellschaft auszuloten, in wie weit das Produkt "Airport Line" unter den gegebenen Umständen aufrecht erhalten werden sollte, war recht bald das Ende des Konzeptes in dieser Form abzusehen.
Neben den schon oben genanten Gründen, welche die Kosten erhöhten, kam noch ein neuer Aspekt hinzu.
Die Neufahrner Spange sollte ab 1998 die Leistungsfähigkeit der erfolgreich operierenden Flughafenbahn weiter erhöhen.
Doch hier war mit der S1 ein Flügelzugkonzept erdacht worden, das in Neufahrn stets Flughafenzüge mit Nichtflughafenzügen zusammengebracht hätte.
Desweiteren wäre ein weiterer Mehrbedarf an speziellen Flughafenzügen entstanden, was für weitere, erhebliche Ausgaben gesorgt hätte. Werkstatt, Dispo und Fahrzeuge wären wohl noch stärker gefordert worden.
In dieser Hinsicht war es verständlich, das S-Bahn und Flughafen München sich einvernehmlich von dem "Munich Airport Line" - Konzept verabschiedeten.
Die blauen Züge wurden ihrer Beklebung beraubt (zumeist jedoch nicht ihrer Lufthansa-Werbung!) und gelangten recht bald in alle Ecken des Münchner S-Bahn Netzes.
Den sechs anspruchsvollen Jahren mit ihren Marathon-Umläufen folgten ruhigere Zeiten, gekennzeichnet durch den "normalen" S-Bahn Alltag der für bunte Zugkompositionen sorgte.
420 175 und 420 177 unterlagen schon um die Jahrhundertwende der äußerlichen Gleichmacherei durch eine Lackierung in Verkehrsrot.
Andere Einheiten erreichten nach ihrem Einsatzende den Schrottplatz noch mit ihrem markanten Flughafenblau.
Ein nicht geringer Teil des Bestandes zog aber für neue Aufgaben aus München weg, als es für die 420er hier eng zu werden drohte.
Was nach 15 Jahren geblieben ist
Auch wenn einige Vorteile für die Fahr/Fluggäste durch das Ende des Konzepts verloren gingen, so verzeichnen die Linien zum Flughafen bis heute stets nur Zuwächse. Diesen Erfolg wird die S-Bahn wohl auch in Zukunft weiter verbuchen dürfen, zumal die Alternativen nicht sehr verlockend erscheinen. Und auf die Ankunft des ersten Transrapids sollte man sich nicht allzu sehr verlassen. Selbst wenn er kommen sollte, bis dahin wird noch viel Wasser die Isar herunter geflossen sein. Verflossen ist indes schon seit nunmehr 9 Jahren die "Flughafen München Linie". Das gilt jedoch nicht für alle Fahrzeuge.
Elf Jahre nach dem Foto bei Hochdorf (siehe oben) präsentiert sich 420 179 noch immer in der Flughafenlackierung.
Die hatte über die Jahre jedoch etwas Patina angenommen.
Zwischen den beiden Aufnahmen lag auch eine Phase mit Ganzreklame in Vollbeklebung.
Der farblich beinahe deckungsgleiche Frontbalken rührt aus dieser Zeit her.
Wie alle Flughafenzüge verlor die Einheit das "M" bereits im Jahre 1998.
Bei dieser Aufnahme am 6. Juni 2003 war 420 052 als S7879 zusammen mit 420 052 bei Steinebach unterwegs.
Es war einer der letzten Einsatztage für beide Einheiten.
Foto: Stefan Wölk |
www.mittenwaldbahn.de
Zwar hat bei der 2.Bauserie die Schrottpresse bei vielen Flughafenzügen schon zugeschlagen, dennoch kann man noch 6 Einheiten mit etwas Glück in NRW zwischen Düsseldorf, Solingen, Wuppertal, Essen und Bottrop erwischen. Wer genau hinsieht wird sie erkennen. Hinzu kommen noch weitere 6 Einheiten in Stuttgart, die dort nun ihre Dienste in den Reihen der 7. und 8. Bauserie verrichten. Auch hier kann mit ein wenig Augenmerk, die Bauserie 7a an einigen Besonderheiten ausgemacht werden. Was die Inneneinrichtung betrifft, so ist sie heute noch nahezu Original. Erst wenn das ET420Plus Programm anlaufen sollte, werden wohl allmählich die Spuren verwischt werden.
Witzigerweise kann man sowohl in Düsseldorf wie auch in Stuttgart mit etwas Glück einen Flughafenzug an seinem ureigensten Bestimmungsort antreffen: S7 Flughafen Düsseldorf und S2 Flughafen Stuttgart. Dies könnte auch dem einen oder anderen Fluggast auffallen. Und zwar wenn er merkt, das er sein Gepäck leichter verstauen kann als in jeden anderen Zug.