Am Abend des 21.April 2005 überquert ein ET420 der 2.Bauserie als S9 die Ruhrbrücke bei Essen Steele.
Auch wenn man aus der Distanz die Nummer des Triebwagens nicht ermitteln kann, der verlängerte gelbe Streifen der 1.Klasse gibt dennoch darüber Aufschluß, das es sich um einen "Ex-Münchner" handeln muss.
Foto: Karl Arne Richter
Es hätte alles so schön sein können. Vor einem Jahr kehrte zum Frühling die Baureihe 420 wieder zurück an ihre alte Wirkungsstätte zwischen Rhein und Ruhr.
In diesem, bzw. "dem" Revier hatte diese Baureihe von den 70er bis in die 90er Jahre hinein den S-Bahn Betrieb geprägt. Die Baureihe 420 hatte sich dabei durchaus viel Sympathie bei Fahrgästen und Betriebspersonal erworben.
So konnte man der Rückkehr dieses zuverlässigen Arbeitstiers mit freudiger Erwartung entgegen sehen. Die unbestreitbaren positiven Argumente, die für diese Baureihe sprechen waren ja bereits bekannt. Dazu kam die Zuversicht, das der Betrieb sich schnell einspielen würde, aus dem nachvollziehbaren Grund daß - wie bereits erwähnt - der ET420 bereits schon einmal hierzulande im Einsatz war.
Es ist anders gekommen!
Warum schließlich Anlaufschwierigkeiten zutage traten (und treten), durch die der ET420 schließlich in das Fadenkreuz der Kritik geriet, kann im Detail bislang noch nicht vollständig dargestellt werden. Die Gründe dafür sind sehr vielschichtig.
Dennoch haben sich einige Eckpunkte herauskristallisiert, die schon einmal offen benannt werden können.
So ist festzustellen, das mit der Beheimatung aller 420er im Werk Essen der historische Faden der Baureihe 420 an Rhein und Ruhr nicht wieder aufgenommen wurde. Das bereits genannte "Pro-Argument", das auf die gewonnenen Erfahrungen aus den vormaligen Einsatz der Baureihe beruhte, konnte sich durch die Entscheidung für Essen nicht bestätigen.
Der Chronist nahm im Februar 2004 wohlwollend zur Kenntnis, als ihn die Meldung erreichte das die Baureihe 420 wieder im Bw Düsseldorf Abstellbahnhof (KDA) angekommen wäre.
Es ist das Betriebswerk das in den Jahrzehnten einschlägige Erfahrungen mit der Baureihe 420 erwarb.
Nicht nur das.
Das Werk KDA betreute bis 1993 sogar die technisch eng mit der BR420 verwandte Baureihe 403/404. Dieser, salopp gesagt, Fernverkehrs-420er wurde in Fachkreisen als "Entenschnabel" bekannt und in der Öffentlichkeit als "Lufthansa Airport Express" berühmt.
Dieser aus dem ET420 entwickelte Schnelltriebzug erforderte eine intensive Betreuung durch das Düsseldorfer Betriebswerk, da für den Einsatz unter der Flagge der Lufthansa nur wenige Garnituren für ein ehrgeiziges Betriebsprogramm zur Verfügung standen.
Zwar ist sicherlich mit dem Ende dieser besonderen Epoche und dem fünf Jahre später darauf folgenden Abzug der letzten 420er aus KDA die Fachkompetenz zunehmend verloren gegangen. Dennoch hätte man sie mit einer erneuten Beheimatung der ET420 an diesem Ort schneller und effektiver wieder herstellen können.
Der Bh in Essen (EE) kann dagegen auf keine Geschichte mit dieser Baureihe zurückblicken. Das kleine Betriebswerk, das bei geringer Kapazität schon mehrere Baureihen betreuen muss, tat sich dementsprechend schwer in die Materie "ET420" einzuarbeiten.
Hier setzt auch der erste Kritikpunkt an.
Dieser zielt auf die Leichtfertigkeit ab, mit der die Baureihe 420 in Essen eingeführt wurde. Scheinbar im Glauben, es würde reichen die Triebzüge auf den Hof zu stellen, steuerte man unwillkürlich den ersten Pannen entgegen. Die Komplexität eines Schienenfahrzeugs, gleich welcher Baureihe, spricht jedoch gegen eine solche Denkweise.
Das wurde nur unzureichend erkannt. Zwar kamen aus den angestammten 420 Einsatzgebieten, vornehmlich aus München, Hilfsleistungen die den Start erleichtern sollten, doch diese griffen Augenscheinlich zu kurz. Dies Bewiesen die unzureichenden Leistungen die in der darauf folgenden Zeit immer mehr Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung und Kritik rückten.
Die Betroffenen Menschen im Ruhrgebiet mußten den Eindruck gewinnen, das ihnen mit den neuen "alten" Triebwagen eine unzuverlässige, verspätungsanfällige "Oldtimer-Baureihe" vorgesetzt wurde. Woher sollten diese Menschen wissen, das genau die gleichen Fahrzeuge zur selben Zeit in Frankfurt, Stuttgart und Stockholm ein Garant für einen zuverlässigen und pünktlichen Betrieb sind? Das genau die Fahrzeuge die jetzt auf der S7 und S9 eingesetzt werden bis zu ihrer Umbeheimatung nach NRW in ihren vorherigen Einsatzgebieten die versinnbildlichte Solidität darstellten?
Warum funktioniert an der Ruhr nicht das, was an Isar und Neckar funktionierte?
Ein Teil der Antwort steht bereits in den vorausgegangen Ausführungen.
Womit sich aber bereits die berechtigte Kritik an der Baureihe 420 an Rhein und Ruhr schon weitgehend erschöpft hat.
Es sollen nämlich die Einflüsse an dieser Stelle nicht vergessen werden, die der Baureihe 420 in ihrem neuen Betätigungsfeld das Leben schwer macht.
Der Einsatz des ET420 wurde seit seiner Rückkehr nach NRW auf zwei Strecken konzentriert, die aus betrieblicher Sicht jede Menge Zündstoff für Unregelmäßigkeiten bieten.
Beginnen wir mit der S7 (Düsseldorf-Flughafen Terminal - Solingen-Ohligs).
Eine durchgängig zweigleisige S-Bahn Strecke mit hohen Fahrgastaufkommen im verdichteten Ballungsraum um die Landeshauptstadt Düsseldorf. Im Übrigen: Eine klassische Einsatzstrecke der Baureihe 420!
Doch etwas ist anders als zu früheren Zeiten.
Auf der einen Seite hat das Fahrgastaufkommen noch einmal gehörig zugenommen, worauf erst vor kurzem DB Regio mit einem konsequenten Einsatz von Vollzügen reagierte.
Auf der anderen Seite ist das Betriebsprogramm soweit gestrafft (im Managerchinesisch redet man da gerne vom "optimiert") worden, womit eine künstliche Verspätungsanfälligkeit produziert wurde.
Der Fahrplan besitzt keine angemessenen Fahrzeit- und Einsatzreserven mehr, wodurch bei der kleinsten Verzögerung ein Dominoeffekt in Gang gebracht wird, der am Ende nur mit radikalen Maßnahmen gestoppt werden kann.
Diese Maßnahmen zeichnen sich durch ein vorzeitiges Wenden der Fahrzeuge im Linienverlauf aus um damit das Fahrzeug wieder in die vorgesehene Fahrplanlage eintakten zu können.
Dies betraf zumeist den südlichen Streckenabschnitt vor Solingen.
Durch das vorzeitige "Brechen" der Zugläufe kommen solche Züge nicht mehr in Solingen an.
Die Fahrgäste die zu diesem Ziel möchten, müssen aussteigen und auf den nächsten Zug warten (und hoffen das dieser nicht auch "gebrochen" wird...).
Genauso geht es dann den Fahrgästen, die in Solingen nicht von der S-Bahn abgeholt werden, da diese sich bereits schon wieder auf dem Rückweg nach Düsseldorf befindet.
Ein Problem das vor Ort schon öfters breiten Raum in der öffentlichen und veröffentlichten Meinung einnahm.
Ein Sündenbock war schnell gefunden: Die Baureihe 420.
Nur selten wird klargestellt, das die Ursache zumeist keineswegs an den Fahrzeugen festgemacht werden kann.
Das wird leider auch durch DB Regio nicht vermittelt, scheinbar hat man kaum ein Interesse daran die wahren Ursachen zu bennen.
Im Wirklichkeit ist die Baureihe 420 an dieser Stelle i.d.R. sogar eine Hilfe um diese angespannte Betriebssituation ein Stück weit zu entschärfen.
Die derzeitige Fahrplangestaltung hatte bereits weit vor dem Einsatz der ET420 die Situation auf der S7 verschärft.
Es betraf also genauso den ET423 sowie im besonderen Maße die X-Wagenwendezüge.
Letztere haben durch das geringere Beschleunigungs- und Bremsvermögen und die geringere Zahl an Zustiegsmöglichkeiten im Vergleich zu den Triebwagenbaureihen eine noch geringe Chance den knappen Fahrplan wieder einzuholen.
Kommen wir zur S9 (Haltern am See - Wuppertal Hbf).
Die nach der S12 (105 Kilometer) mit 89 Tarifkilometer zweitlängste S-Bahnlinie in NRW, besitzt mehrere eingleisige Streckenabschnitte.
Sie führt durch mehrere Mittelzentren des Ruhrgebiets und teils durch eher ländlich geprägte Gebiete.
Das Fahrgastaufkommen ist vergleichsweise gering, wodurch der ausschließliche Einsatz von Kurzzügen als ausreichend erscheint.
Auch hier führen Unregelmäßigkeiten im Betriebsablauf oftmals zu einem Dominoeffekt, der das Aufholen von entstandenen Verspätungen erschwert.
Die eingleisigen Streckenabschnitte erweisen sich an dieser Stelle als besonders neuralgische Punkte.
Doch auch hier zielt oftmals die Kritik auf die dort eingesetzten 420er, obwohl sie auch in diesem Falle die Lage eher noch entschärfen können als die gleichzeitig eingesetzten Wendezüge.
Es bleibt festzustellen:
Der zweite Frühling der Baureihe 420 in NRW scheint zu Beginn doch leicht verhagelt zu sein.
Nichtsdestotrotz bietet der ET420 auch weiterhin die Chance die allgemeine Situation von DB Regio zu verbessern.
Das sei an dieser Stelle nochmals besonders unterschrichen.
Die beschriebenen Situationen, welche die Baureihe 420 in NRW betreffen, sind nur einige der vielen Brennpunkte mit denen die DB in NRW zu kämpfen hat.
Es sollte allen Beteiligten nochmals nachdrücklich klar gemacht werden, das die Baureihe 420 dabei weniger ein Teil des Problems gesehen werden sein sollte, als vielmehr als ein Teil der Lösung!
Es bedarf nur an einigen wichtigen Punkten eine richtige Weichenstellung und die S-Bahn kehrt auch mit Hilfe der Baureihe 420 wieder auf die Erfolgsschiene zurück. Die Fahrgäste, das engagierte Betriebspersonal aber auch nicht zuletzt der ET420 hätten es verdient.
Nach oben -»