Frankfurt, das schon einmal im Jahr 2003 einen rein verkehrsroten Wagenpark hatte, stellte zuletzt das letzte Refugium orangener 420er dar.
Am 3. September 2004 überquert 420 876-5 als S6931 (S9 Vollzug 420 376 + 420 288) die Kostheimer Mainbrücke.
420 376 war bis Dezember 2003 in Plochingen beheimatet, er ist nunmehr der letzte im Betrieb befindliche 420er in orange-weiß (ow).
Foto: Dirk Mattner
Orange-weiß (ow), das Farbkonzept des "Unternehmen Zukunft" ist nahezu Vergangenheit.
Bei der Baureihe 420 ist der Tag bereits fixiert: Es ist der 8.April 2005. An diesem Tag wird bei Triebwagen 420 376 die Untersuchungsfrist ablaufen.
Was auch mit dem letzten noch in Betrieb befindlichen 420 in dieser Farbgebung geschehen wird, ob Schrottplatz oder HU (dann nur mit Neulack in verkehrsrot), eine Epoche wird an diesem Tag definitiv Zuende gehen.
Diese Epoche begann in einer Zeit, in der es noch eine Bundesbahn gab. Die damalige DB (ohne AG) befand sich in einer Krise, eine Situation die einem auch heutzutage nur allzu vertraut scheint.
Einen Unterschied gibt es dann aber doch.
Damals, im Jahre 1985, wurde die Eisenbahn in Deutschland 150 Jahre alt.
Die Eisenbahn rückte für einen kurzen Augenblick wieder positiv in den Mittelpunkt des Interesses der Öffentlichkeit.
Eine Chance, welche die Bundesbahn am Schopfe packte und sich dadurch im besten Lichte präsentierte.
Dafür waren besondere Anstrengungen notwendig, die sich aber letzen Endes auszahlten.
Das Ergebnis war eine Aufbruchsstimmung, die sich sowohl innerhalb der DB als auch in ihrem Umfeld breit machte.
Es wurde erkannt, das die Bahn durchaus einen höheren Stellenwert in einer Nation voller Autofahrer erlangen konnte.
Getrieben durch diese Erkenntnis machte man sich bei der Bundesbahn daran, an die positiven Ansätze anzuknüpfen.
Zu beschreiben, was das im einzelnen bedeutete würde auch an dieser Stelle den Rahmen dieser Exkursion sprengen.
Kurzgefasst: Alle Maßnahmen die Bahn wieder auf die Erfolgsschiene zu bringen, wurde durch neue Slogans in das Bewußtsein der Menschen gebracht.
Bereits 1985 präsentierte die DB sich erstmals als die "Neue Bahn", was mit der stolzen Präsentation des ersten ICE "InterCityExperimental" eindrucksvoll bewiesen werden sollte.
Später, als die Maßnahmen zur Neuausrichtung bereits angelaufen waren, wurde der Begriff des "Unternehmen Zukunft" geprägt.
Die DB, damals noch eine feste staatliche Institution des Bundes, machte sich daran das ihr andichtete Image der "Behördenbahn" zu entstauben.
Versinnbildlicht wurde das auch damit, dass das Hoheitszeichen, von Eisenbahnfreunden salopp "DB Keks" genannt, einen frischen roten Anstrich bekam.
Das man mit neuen Farben die Veränderungen besser nach außen transportieren kann, ist eine Erkenntnis die auch der DB zuteil wurde.
Die neuen und die bewährten Konzepte mußten in die richtige "Verpackung" gesteckt werden.
An dieser Stelle kommen wir wieder zu der Eingangs erwähnten, neuen Epoche zurück.
Die neue Epoche im Eisenbahnwesen sollte mit den Farben im "Produktdesign" gekennzeichnet werden.
Der besondere Charme des Produktdesigns liegt darin, das die Bahn sich mit ihren Fahrzeugen sowohl aus einen Guß präsentiert, als auch die Aufgaben der Fahrzeuge deutlich für jedermann erkennbar machte.
Lokomotiven sollten allesamt im einheitlichen Orientrot lackiert werden.
Güterzüge sollten sich auf längere Sicht von ihrem rostbrauen Erscheinungsbild verabschieden.
Eiliger hatte man es da schon mit den Fahrzeugen des Personenverkehrs.
Hier sah das Produktdesign eine klare Kennzeichnung des Status der Fahrzeuge vor.
Der InterCity, seit 1979 zunehmend ein Erfolg der DB und zugleich ihr "Flaggschiff" in der Produktpalette, bekam die Farbe rot zugeteilt.
Der Interregio, die neue Form des D-Zugs, wurde mit einem frischen blau bedacht.
Der IR sollte in seinem Betätigungsfeld an das Erfolgsmodell "IC" anknüpfen.
Für den Nahverkehr wurde die Farbe mintgrün reserviert.
Nach Meinung vieler Beobachter stellt diese Farbvariante die unattraktivste in der Produktpalette dar.
Über Geschmack kann man sich bekanntlich schlecht streiten, im Kontext des neuen Farbkonzepts ist die Wahl dieser Farbe dennoch nachvollziehbar.
Im Kontrast zu rot und blau steht u.a. die Farbe grün diesen gegenüber.
Das stimmt aber nur zur Hälfte, denn grün steht im direkten Kontrast zu rot.
Im Kontrast zu blau steht dagegen allerdings orange!
Womit wir bei dem "Produktdesign" S-Bahn angekommen wären.
Das Produkt "S-Bahn" war übrigens in der neuen Produktpalette das älteste (seit 1930!).
Waren aus FD und FDt schon vor etlichen Jahren "Intercitys" geworden, so wurden die Bezeichnungen "RB", "RSB" und "Interregio" erst mit dieser Neudefinition der "Neuen Bahn" geboren.
Die "S-Bahn" blieb dagegen schlichtweg die "S-Bahn".
Das galt auch für das altehrwürdige Symbol, dem weißen "S" im grünen Kreis.
Und auch bei dem farblichen Erscheinungsbild der S-Bahnfahrzeuge setzten die Oberen der DB auf Beständigkeit.
Das war kein Zufall, sondern Teil des neuen Selbstverständnis des "Unternehmen Zukunft".
Ziel des neuen Auftretens der Bahn in der Öffentlichkeit war es dem Kunden die besten Produkte zu offerieren.
Dort wo der Kunde ein neues Produkt zu erwarten schien, wurde es ihm mit neuem Namen feil geboten.
Dort wo aber der Kunde bereits die Vorzüge der Bahn genoß und sie durch regen Gebrauch würdigte, wurde ihm weiterer unnötiger Budenzauber erspart.
Die S-Bahn und der Intercity gehörten zur letzteren Kategorie der bereits bekannten "Erfolgsmodelle".
So wäre es kaum sinnvoll gewesen die S-Bahnfahrzeuge in einer gänzlich anderen Farbe zu lackieren, als eben in dem schon weitläufig gewohnten orange.
Dieser Umstand erklärt auch warum die DB sich mit der Umsetzung des neuen "Produktdesigns" bei der S-Bahn merklich Zeit lies.
Wurde das Farbmuster der S-Bahn bereits schon 1986 an einem n-Wagen präsentiert, kam es dennoch erst zwei Jahre später erstmals bei einem 420er zur Anwendung.
Im Jahr 1988 wird 420 060 als erstes Fahrzeug dieser Baureihe in den Farben "lichtgrau" (RAL 7035) und "lachsorange" (RAL 2012) lackiert.
Dazu gesellt sich ein pastellgelbes Farbband (RAL 1034) unterhalb des orangefarbenen Fensterbands, die wohl offensichtlichste Abweichung vom bisherigen Farbkonzept.
Wenn auch 420 060 als erster umlackierter "ow"-420 gilt, die neue Lackierung war in München zunächst kaum präsent.
Dagegen kündigte sich ab 1989 mit der Neuauslieferung der 7.Bauserie vorallem für Stuttgart ein verstärktes Erscheinen des neuen Produktdesigns an.
Parallel dazu wurden auch die neuen X-Wagen aus der laufenden Produktion im ow-Lack ausgeliefert.
Die Baureihe 141, ab 1987 auch im Nürnberger S-Bahndienst tätig, wurde z.T. mit dem Farbkonzept beglückt.
Ab 1989 erhielten dann weitere ET420 zur fälligen HU gleich eine Neulackierung dazu.
So hielt "ow" zu diesem Zeitpunkt erstmals auch in Frankfurt Einzug.
Im weiteren Verlauf trat das Farbkonzept immer öfters in Erscheinung.
Mitte der 90er Jahre war "orange-weiss" bei 420ern von München bis Düsseldorf verbreitet.
Gleichwohl stehen die Umlackierungsaktionen in keinem Vergleich zu dem Aufwand und Ehrgeiz den die DB AG später dann mit ihrem verkehrsrot an den Tag gelegt hat.
So blieb dem "ow" auch allezeit verwehrt, einmal den gesamten S-Bahnwagenpark zu beglücken.
Hamburgs S-Bahn hat sich übrigens standhaft jeder Versuchung erwehren können und blieb bis zum verkehrsroten Zeitalter beim konservativen blau-beige.
Das kann wiederum als Beweis gelten, das es der "Neuen Bahn" auch um Beständigkeit ging.
Die Hamburger kannten schließlich ihre S-Bahn bereits - wer wollte da glauben das eine neue Lackierung nur einen Fahrgast mehr angelockt hätte?
Zurück zum "ow", das sich im München des ausklingenden 20.Jahrhunderts zum "oh weh!" entwickelte.
Das "Oh weh!" entfuhr jedem der die 420er in ihrer ausgeblichenen Lackierung erblickte.
Die Umlackierungen ab 1988 wurden vornehmlich mit wasserbasierten Lacken vorgenommen, die als besonders umweltschonend galten.
Das sie sich aber auch als nicht Lichtresistent erwiesen, zeigte sich dann in zunehmend dramatischer Weise besonders in München.
Als ein weiteres Manko an dem ow-Farbkonzept kann man den hohen Weißanteil benennen.
Wer sein Fahrzeug in sehr heller Farbe lackiert, der sollte sich gleichzeitig dazu verpflichten, diese besonders sauber zu halten.
Vernachlässigte die Bahn an dieser Stelle ihre Aufgaben, so wurde dies rasch vor aller Welt mit besonders schmutzig wirkenden Fahrzeugen bestraft.
Als Kontraproduktiv kann in diesem Zusammenhang die Entscheidung beurteilt werden, bei dem ow-Konzept auch den gesamten Dachbereich weiß lackieren zu lassen.
Wo die 420er am schnellsten wieder grau wurden, muß wohl nicht weiter erwähnt werden...
Ein Fazit zum Ende der "ow-Epoche":
Es war von der DB durchaus gut gemeint, ihre S-Bahn in einem helleren Licht erstrahlen zu lassen.
Die schon öfters erwähnte Beständigkeit im Erscheinungsbild der Fahrzeuge ist nochmals positiv hervor zu heben.
Dazu gehört auch der klare Wille das "Produkt S-Bahn" als ein besonderes, eigenständiges Angebot anzupreisen.
Wer erkennt heute als Laie noch eine S-Bahn aus dem Meer verkehrsroter Fahrzeuge heraus?
Das was lange Zeit in Hamburg verstanden wurde und heute noch in Berlin stolz hochgehalten wird, ist bei allen anderen S-Bahnen im Meer der verkehrsroten Beliebigkeit untergegangen.
Es ist die Idee des Produkts "S-Bahn" und eines dazugehörigen Designs das mit untergegangen ist.
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