Die Baureihe 420 ist am 14.Dezember 2005 in Stockholm auf das Abstellgleis gefahren.
Doch bevor dies geschah, war nochmals ein Blick auf die Centralbron gestattet.
Jener Brücke, über die nun die letzten drei Jahre regelmäßig auch 420er des Weges kamen.
Mit der unverwechselbaren Silhouette der Stockholmer Altstadt im Hintergrund erreichten oder verließen diese besonderen Pendeltågen den am nördlichen Brückenkopf angrenzenden Hauptbahnhof.
Foto: Johan Hellström |
lokaltågssida
Vor genau einen Jahr wurde in Stockholm bekannt, das die Betriebsführung des Pendeltågbetriebs neu ausgeschrieben werden würde.
Der neue Vertrag sollte mit Beginn des Jahres 2006 in Kraft treten.
Dazu wurde der Verkehrsvertrag mit der bisherigen Betreibergesellschaft namens "Citypendeln" zu diesem Termin gekündigt.
Auf dem ersten Blick konnte man anhand diese Entscheidung noch keine Verbindung mit dem Einsatz der Baureihe 420 in Stockholm erkennen.
Wer allerdings Einblick in die komplizierte Verflechtung zwischen dem Besteller SL einerseits und den Betreibern Citypendeln und DB Regio Sverige anderseits hatte, wusste schnell was die Stunde geschlagen hatte.
Zur Erklärung ein Blick zurück ins Jahr 2001:
SL (Storstockholms Lokaltraffic) war auf die europaweite Suche nach einem S-Bahn Fahrzeug (Pendeltåg) gegangen, das den akuten Fahrzeugmangel in Stockholm kurzfristig überbrücken helfen sollte.
Die Lage war so prekär, dass SL nur an eine schnelle Übernahme gebrauchter und sofort einsatzfähiger Fahrzeuge interessiert war.
Zur gleichen Zeit begann man in München mit der Ausmusterung der ersten Triebwagen der Baureihe 420, die zunächst als stille Reserve im Großraum München abgestellt wurden.
Vertreter von SL wurden auf diese Fahrzeuge aufmerksam und erkannten die großen Vorteile, welche diese Fahrzeuge mitbringen würden.
Da das schwedische Bahnstromsystem dem deutschen entspricht, mussten keine Änderungen an den elektrischen Betrieben vorgenommen werden. Die Leistungsfähigkeit und die Zuverlässigkeit im Alltagsbetrieb waren überzeugende Argumente für diese Baureihe.
Die nötigen Anpassungen, wie z.B. bei der Signaltechnik, versprachen mit einem relativ geringen Aufwand realisierbar zu sein.
Für SL schienen sich alle Probleme auf einmal in Wohlgefallen aufzulösen. Im Frühling 2001 hatte man die Fühler nach den Münchner Fahrzeugen ausgestreckt und bereits für den Sommer glaubten sie die ersten 420 in Stockholm als Pendeltågen (S-Bahn Züge) begrüßen zu dürfen.
Im Selbstverständnis von SL würden die Münchner Triebwagen als "X420" in ihr Eigentum übergehen und so wollte man mit der Deutschen Bahn ins Geschäft kommen.
Was die Vertreter von SL übersahen, war die Tatsache das in Deutschland sich die Uhren bei der Eisenbahn anders drehen als in Schweden.
"Verkaufen" war seinerzeit bei der Deutschen Bahn ein Fremdwort, wenn es um ausgemusterte Fahrzeuge im Bestand der DB AG ging.
Das Unternehmen sah die Gefahr, dass durch private Eisenbahnunternehmen die in den Besitz von Altbaufahrzeugen gelangen würden, erhebliche Konkurrenz entstehen könnte.
Die sich daraus ergebene, etwas angstgesteuerte Unternehmenspolitik der DB AG sah deshalb nur eine "interne Verwertung" von Altbaufahrzeugen vor. Zumeist manifestierte sich diese Unternehmensphilosophie in großangelegten Verschrottungsaktionen.
So war es nicht verwunderlich, das die Deutsche Bahn den mit ihren Kaufwünschen etwas zu euphorischen SL-Vertretern zunächst einen Korb gaben.
Was dann darauf folgte, sollte ein wichtiger Baustein zum vorzeitigen Ableben der X420 in Stockholm am Ende des Jahres 2005 werden.
Getrieben durch den weiterhin vorherrschenden Fahrzeugmangel in Stockholm, versuchte SL nun mit der Deutschen Bahn auf anderen Wegen ins Geschäft zu kommen. Die DB konnte sich dabei auf eine recht bequeme Verhandlungsposition zurückziehen. Ihr lag aus den bekannten Gründen nicht viel an einer Weiterverwendung längst abgeschriebener Fahrzeuge, doch wenn man damit einen Fuß in die Tür eines neuen Marktes setzen könnte, wäre das durchaus verlockend. Die DB hatte nicht viel zu verlieren, dem SL saß dagegen die aufgebrachte Öffentlichkeit im Großraum Stockholm im Nacken. SL musste zur kurzfristigen Schadensbegrenzung von der Dänischen Staatsbahn ausgediente Wagons des Regionalverkehrs erwerben und diese mit Rc Loks des Güterverkehrs bespannen lassen. Vor diesem Hintergrund einigten sich SL und DB auf ein kompliziertes Konstrukt, das auch den Pendeltågbetreiber "Citypendeln" mit einbezog. Citypendeln hatte im Jahre 2000 den Zuschlag von SL für den Betrieb der Pendeltågen erhalten. Diese "Exklusivrechte" konnten mit dem Auftauchen der Deutschen Bahn nur noch schwer aufrecht erhalten werden. Die Deutsche Bahn wollte selbst als Betreiber der 420 in Stockholm unter dem Namen "DB Regio Sverige" auftreten was dem Interesse von Citypendeln entgegen stehen musste. Um allen Interessen genüge zu tun, einigte man sich auf ein Vertragswerk, das DB Regio Sverige eng an das Schicksal von Citypendeln binden sollte.
Die Planungen seitens SL gingen von einem frühestmöglichen Einsatz der 420 in Stockholm aus. Der kaum realistische Zeitplan, bereits ab Sommer 2001 die ersten Fahrzeuge einsetzen zu können, wurde in der Folgezeit noch öfters gestreckt. Der Zeithorizont aus der Sicht von SL ging von einem etwa 4 bis 5 jährigen Einsatz der Baureihe 420 in Stockholm aus. Bis zum Jahre 2006 sollte der Fahrzeugbestand soweit mit Neubaufahrzeugen der Baureihe X60 entspannt werden können, so dass man wieder auf die Hilfe aus Deutschland verzichten könnte. Mit einer etwas optimistischeren Sichtweise hätte ein noch längerer Betrieb mit diesen Fahrzeugen ins Auge gefasst werden können. Die Baureihe X1, auf die sicherlich die nächsten Jahre noch nicht gänzlich verzichtet werden kann, hätte durch die X420 früher in den Ruhestand geschickt werden können. Jetzt werden die z.T. mehr als 40 Jahre alten Fahrzeuge noch ein paar Runden mehr drehen dürfen und das obwohl sie bereits seit Jahren zunehmende Ausfallerscheinungen zeigen.
Unumstößlich erwies sich jedoch der Zeitplan von SL. Im Jahre 2001 ging man für die X420 von einer Einsatzzeit von etwa 4 Jahren aus und dabei blieb es.
Erst im Januar 2003 begann der Einsatz der Baureihe 420 in Stockholm. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Beobachter davon ausgegangen, das SL an dem ursprünglichen Zeitplan nicht mehr festhalten würde.
Die Realität des Dezember 2005 spricht jedoch jetzt eine andere Sprache.
Nach der Kündigung des Vertrags mit Citypendeln im Dezember 2004, folgte noch im gleichen Monat die Kündigung für DB Regio Sverige. Es blieb noch ein Jahr Zeit sich darüber Gedanken zu machen, wie nun eine sinnvolle Weiterverwendung der Fahrzeuge aussehen könnte. Jedoch war das Interesse seitens SL äußerst gering. Dabei hatte SL nicht unerhebliche Summen investiert um die Münchner Fahrzeuge in Stockholm heimisch werden zu lassen. Darüber hinaus leisteten die 420 in den vergangenen zwei Jahren wertvolle Dienste für den Stockholmer Nahverkehr.
Zuletzt liefen sie am zuverlässigsten und hatten damit den betriebswirtschaftlich günstigsten Status erreicht.
Doch jede Form von Investitionen verbaten sich in den letzten Monaten. Die nötigen Ausgaben für die anstehenden Fristuntersuchen wurden schon nicht mehr getätigt. So schied schon in den letzen Wochen ein 420 nach dem anderen aus dem Dienst, wenn die Laufgrenzwerte erreicht wurden.
Innerhalb von zwei Monaten werden alle 420 nicht nur aus dem Betriebsdienst der Stockholmer S-Bahn entfernt, sie werden auch umgehend zur Verschrottung gebracht.
So wird bereits mit Ende dieses Jahres die Baureihe 420 in Schweden Geschichte sein.
In der bald 150 jährigen Geschichte der schwedischen Eisenbahn wird es, in Anbetracht der kurzen Einsatzzeit, für die 420 bestenfalls zu einer Fußnote reichen.
Dieser Umstand ist ausgesprochen Schade. Und dieser Meinung ist nicht nur der überzeugte (X)420-Fan, sondern jeder der sich mit dem Thema schon einmal näher beschäftigt hat.
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