Für die Münchner 420er war im letzten Betriebsjahr an jedem Werktag schon kurz nach der HVZ Feierabend.
Das galt auch am 22. April 2004 für 420 185 (hier 420 685-0), der zusammen mit 420 113 an diesem Frühlingsmorgen den Umlauf S7612 (München Ost - Grafrath) / S7741 (Grafrath - München Hbf) bediente und hier bereits als Leerzug zum Pasinger Betriebsbahnhof ausrückt.
Dort versammeln sich allmorgendlich einige Einheiten zur Reinigung (Zur Erklärung insbesondere für die Verantwortlichen der S-Bahn Rhein-Ruhr: Das bedeutet, das die Fahrzeuge mit Wasser und Reinigungsmittel GEPUTZT werden.
Und: Nein, die gehen dabei nicht kaputt! Ehrlich!).
Foto: Dirk Mattner
"Servus Zwanzger!"
In München ging am 3. und 4. Dezember unwiderruflich eine Epoche Münchner Eisenbahngeschichte zu Ende.
Das Zeitalter der Baureihe 420 ist in München definitiv vorbei. Das war zwar seit den vergangenen zwei Jahren schon nicht mehr zu übersehen, dennoch zeigte die Baureihe 420 im Berufsverkehr noch Präsenz.
So waren bis zum letzten Tag noch Münchner Pendler wie selbstverständlich mit den summenden Klassikern unterwegs, als ob es nie anders werden würde. Sie bedienten die Türgriffe wie gewohnt - ein kurzes ziehen, und "auf is" - als ob es noch alltäglich wäre. Dabei mussten die Fahrgäste doch schon zuvor meist nur noch den Daumen auf den "Leuchtenden Kranz" der ET423 ansetzen.
Aber sie haben die Bedienung ihrer alten S-Bahn noch nicht verlernt. Aus Rhein/Ruhr wurde nach der Wiederkehr der ET420 berichtet, das es Fahrgäste gegeben haben soll, die den Zug wieder davon fahren ließen, weil sie keine Idee hatten wie die Türgriffe zu bedienen seinen (warum gibt es eigentlich keine PISA Studie über Bahnreisende?).
Wie schon gesagt, zu solchen peinlichen Anekdoten sind die Münchner bis zuletzt nicht gekommen.
Der 420 wurde bis zum letzten Kilometer als das genutzt, für das er gebaut wurde:
Als S-Bahnzug.
Und zwar als zuverlässiger S-Bahnzug!
Und so blieben große Abschiedsveranstaltungen aus.
Dabei hätte man dem 420 zum Abschied schon einen größeren Rahmen in der Öffentlichkeit gewünscht.
Schließlich war diese Baureihe über 30 Jahre lang das Rückgrat des Münchner Nahverkehrs.
Sie war ein Sinnbild des Fortschritts dieser Region, denn sie war wichtiger Motor zur Entwicklung des Großraum Münchens.
Und dabei war das Fahrzeug auch noch liebenswert.
Die Farben Weiß und Blau, dazu die grandiose Leistung zu den Olympischen Spielen 1972, das alles brachte der Baureihe 420 viel Sympathie ein.
Der Glanz reichte bis weit in die 90er Jahre hinein. Die hellblauen Flughafenzüge zeigten neuerlich, das "die S-Bahn" (damals gleichgesetzt mit der Baureihe 420) ein Teil der Erfolgsgeschichte Münchens war.
Warum dennoch nicht weiter konsequent in das Erfolgsmodell S-Bahn, also sowohl in die Infrastruktur, wie eben auch in die über 200 Triebzüge investiert wurde, bleibt im Grunde ein Rätsel.
Eine Erklärung könnte man in den berühmten Lorbeeren finden, auf den es sich bekanntlich recht gut ausruhen lässt. Auch wenn das allein nicht die Erklärung ist, ein Stück weit wird schon etwas wahres daran sein.
Denn die Baureihe 420 fuhr beinahe unermüdlich auf der Erfolgswelle weiter. Die Fahrgastzahlen sind immer gestiegen. Egal ob der Service schlechter, die Züge noch voller oder die Fahrpreise teurer wurden - zur S-Bahn gab es kaum eine Alternative.
Ihre Leistungsfähigkeit, eben auch durch das solide Fahrzeug, war im Bereich des Nahverkehrs der Millionenstadt einfach unschlagbar.
Um so bedauerlicher, daß im Nachhinein diesem Fahrzeug kaum der gebührende Rahmen zuteil wurde, mit dem man es nach so vielen erfolgreichen Jahren hätte verabschieden können.
Zum Vorbild hätte man sich nur Beispiele aus anderen Städten nehmen können.
So hätte man an einem Sonntag z.B. für die interessierte Öffentlichkeit (und die dürfte größer sein als von vielen angenommen) eine "Sternfahrt" veranstalten können, bei der auf jeder wichtigen, seit 1972 bestehenden S-Bahnlinie ein ET420 in einem Umlauf gefahren wäre.
Mit ein wenig Geschick hätten sich einige der Umläufe am Ostbahnhof treffen können, oder man hätte sie alternativ über die westlichen Außenäste in den Münchner Hbf heraus leiten können.
Wenn das schon eine zu große Herausforderung gewesen sein mag, so hätte man zumindestens nochmals zum Abschied alle S-Bahnstrecken der Reihe nach mit einer Abschiedsfahrt beehren können.
So hat die S-Bahn die Chance verpasst, sich Öffentlichkeitswirksam zu vermarkten.
Wissend um die Verdienste dieses Verkehrsmittels, hätten sich viele Menschen in den Städten und Gemeinden um München herum einer solchen Würdigung sicherlich nicht verschlossen.
Stattdessen war der letzte Einsatz des 420 in München eine gewöhnliche HVZ-Verstärkerleistung auf der S8. Der Zug war an diesem denkwürdigen Freitagnachmittag des 3. Dezember auch proppenvoll, allerdings hauptsächlich mit Fahrgästen die um der besonderen Situation überhaupt nichts wussten.
Pendler auf dem Weg nach Hause.
So sieht also der Abschied von einem altgedienten Verkehrsmittel in München aus.
Wie schon erwähnt, kann man das alles damit begründen, das dieses Fahrzeug eben zur letzten Fahrt einfach nur noch einmal "ganz normal" seinen Dienst verrichten sollte.
Also "stilgerecht", ganz so wie es das Fahrzeug die letzten Jahrzehnte alltäglich getan hatte.
Das Heisst, mit vielen Pendlern (die eben nichts von dem historischen Moment wussten) und einigen Fans (die durch Mundpropaganda und Internetforen mit ein wenig Geduld dem letzten 420 Vollzug auflauerten).
Doch wer genau hinsieht wird erkennen, das diese Begründung der näheren Prüfung nicht Stand hält.
Tatsächlich hatte die S-Bahn GmbH einen ziemlich bequemen Weg gewählt, in dem das Ende der ET420 nicht in der Öffentlichkeit breit getreten wurde.
Als "Veranstaltung" konnte die Sonderfahrt mit 420 001 durch den Stammstreckentunnel der Presse verkauft werden.
Diese Fahrt hatte sicherlich einen symbolischen Wert, da mit anwesender Prominenz das letzte mal das Summen eines 420 durch die Zwischenebenen und Tunnelgänge unter den Straßen Münchens verhallte.
Doch wo hatte der/die gewöhnliche Münchner(in) die Gelegenheit nochmals seine/ihre gute alte S-Bahn zu würdigen?
Wo war die Gelegenheit dieses so vertraute Fahrzeug halt nochmal so zu erleben, wie man es in München in Erinnerung behalten wird?
Die Antwort: Einen Tag vorher, zur Hauptverkehrzeit - Wenn es ihm/ihr nur jemand gesagt hätte...
Erstaunlich, das so etwas in dem sonst so traditionsbewussten Bayernland einfach so durchgehen konnte.
Wie lautete doch so schön ein weiser Spruch, den die Deutsche Eisenbahnreklame in den 90ern in vielen 420er aushängen lies?
"
Wer das Alte ganz wegwirft, wird das Neue nicht lange behalten"
Dem ist nichts hinzuzufügen.
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